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Die Gärten des glücklichen Miteinanders

  • Writer: Lika Green
    Lika Green
  • Jun 19, 2015
  • 5 min read

Manchmal denke ich, ich bin die Reinkarnation von Pippi Langstrumpf und lebe in meiner ganz eigenen Villa Kunterbunt. Denn ich mache mir die Welt bunt und schön, sodass sie mir gefällt. Darum habe ich mir einen wunderschönen Garten angelegt, hinter meiner Villa.

Oder, sagen wir es etwas romantischer und philosophischer:

Der eigene Garten Eden des Glücks

Meine Existenz, mein Dasein zwischen den Erdenbürgern, ist ein wunderschöner Blumengarten. Diesen habe ich mühevoll angelegt, gepflegt und gezüchtet. Seine permanente Bewässerung und die akribische Pflege sind meine Pflicht und lassen mein Dasein erst sinnvoll werden. Die wichtigste Aufgabe, welche reichen Wachstum im Garten und das Erstrahlen einer farbenfrohen Blumenpracht ermöglicht, ist: eine ehrliche und aufrichtige Betrachtung des Glücksgartens von Außen. Die Inspektion des schönen Gartens von meinem eigenen mentalen Balkon ermöglicht es nur, ein welkes Blütenplatt oder gar freudstörendes Unkraut zu entdecken. Nur so bleibt zauberhaft farbiges Blühen und Leben aller Pflanzen erhalten und neues Wachstum kann lebendig gedeihen, zarte grüne Gräser können aus der Erde zur Sonne sprießen.

Vom Balkon aus erkenne ich die Schönheit meines Gartens und kann diesen als Gärtner in einen traumhaft paradiesischen Garten Eden verwandeln. Dieses kostbare Paradies bewache ich Tag und Nacht mit all meinen Kräften, Energien und Emotionen. Wie ein strenger Wächter stehe ich durchgehend am hölzernen Gartentor und beachte, wer meinen Garten betritt. Sich nähern und einen Blick über den Zaun werfen, das dürfen fast alle Erdenbürger. Doch das Tor öffne ich nicht für jeden. Nur wer ein lebendiges, blühendes Pflänzchen bei sich trägt, dem gewähre ich Eintritt.

Hier freue ich mich über ein kleines Veilchen ebenso, wie über eine prachtvolle, exotische Hibiskusblüte oder gar eine stark geerdete, edle Birke. Jede Pflanze der Besucher in meinem Garten setze ich auch gerne in die Erde, kümmere mich fürsorglich um die Pflege und wünsche mir, dass Sie lebendig gedeiht.

Wachstum und Pflege in meinem Garten

Oft sind es erst die Pflanzen, welche selbst bei vorübergehend vernachlässigter Pflege kraftvoll und strahlend erblühen und wachsen, die langfristig in meinem Garten überleben. Denn sie haben so viel Vertrauen in mich als Gärtner und in sich selbst, dass sie nicht permanent und ständig nach Wasser verlangen müssen. Diese Pflanzen sorgen sich nicht, wenn meine Kraft und Zeit es einmal nicht vermag, die schwere Giesskanne zu tragen.

Ebenso verübeln sie es mir nicht, sollte sich die Atmosphäre in meinem Garten ändern. Auch mit einer Umgestaltung in meinem Paradies kommen sie gut zurecht, denn dies führt etwa dazu, dass meine Fürsorge sich lindert, sie einen neuen Platz bekommen oder der Gärtner eine Auszeit auf dem Balkon einlegt.

Ebenso liegt es in der Natur jedes Gartens, dass Pflanzen welken oder ein Beet sich wandelt. Die schönen, starken Pflanzen der Besucher mögen dadurch nicht verwelken oder eingehen.

Es macht mich glücklich, wenn einem Besucher mein blühend buntes Paradies gefällt. Doch reagiere ich sofort mit einem verträglichen Pflanzengift, sollte sich ein Besucher durch Neid oder Missgunst meinen Garten zu eigen machen wollen oder versuchen, ihn gänzlich auszumerzen. Sei dies bewusst inszeniert oder gar unbewusst durch Berechnung, Besitzanspruch oder Konkurrenzverhalten motiviert.

Darüber hinaus habe ich als Gärtner die Pflicht, mich ausgewogen um alle Pflanzen der Besucher zu kümmern. Klettengewächse, welche sich klebend um mich winden, werde ich jäten. Denn in meinem Garten gibt es keine exklusiven Pflegeansprüche. Die Bewässerung aller kleinen und großen Pflanzen und Blumen plant der Gärtner allein, nach Sympathie, mit Empathie und mit Feingefühl. Denn besonders der Gärtner trägt die Verantwortung für eine gesunde Harmonie im kleinen Paradies.

Ich investiere viel Mühe und Zeit in meinen persönlichen Garten und ich liebe die Mehrzahl der vielfältigen Lebenskraft und Unterschiede aller schönen Pflanzen. Ich liebe sie alle und erkenne ihre individuellen Schönheiten an. Täglich erfreue ich mich an dem bunten Wachstum und dem strahlenden Blumen- und Pflanzenmeer.

Der Wächter am Gartentor

Bemerke ich als gärtnernder Wächter am Tor jedoch, dass sich ein arglistiger Besucher nähert, bin ich vorsichtig. Diese tragen oft Disteln oder einen Kaktus mit schmerzenden Stacheln bei sich. Wenn ich deren Arglist bald erkenne, gewähre ich keinerlei Einlass und verschließe das Tor mit meinem Schlüssel. Dabei bedenke ich aber auch, dass auch eine Distel schöne Blüten in sich trägt.

Sollte sich einmal Unkraut im Blumengewandt durch Täuschung oder eigene Unbewusstheit eingeschlichen haben, wird dieses auf sanfte oder zumindest ehrliche Art entfernt. Bemerke ich zudem von meinem Balkon aus, dass Besucher narzissenhaft meine Erde verwüsten, vorhandene Pflanzen missachten oder gar Blüten und Blätter achtlos zertreten, erteile ich lebenslanges Gartenverbot. Auch wenn sich ein Gewächs wie eine Ranke verhält und versucht, andere zarte Knospen zu verletzen, werde ich mit einem abwehrenden Garteninstrument agieren. Und wenn diese Ranke ihm fremdartig oder unbekannt erscheinende Pflanzen versucht auszumerzen oder zu verdrängen – dann sehe ich mich gezwungen, einen ausdrücklichen Schlag mit dem Spaten in Erwägung zu ziehen.

Die besonderen Pflanzen und Blumen

Entdecke ich einmal eine Pflanze, welche mich durch ihre Schönheit besonders fasziniert und berührt, so gebe ich dem Besucher einen Schlüssel zum Gartentor und werde ein besonderes Beet anlegen. Dabei hoffe ich, dass dies mir die anderen geliebten Blumen und Pflänzchen im Garten nicht verübeln. Denn diese eine Pflanze werde ich sehr behutsam gießen und mir dafür wünschen, dass sie in der Erde Wurzeln schlägt und durch meine Pflege wachsen kann. Ich werde sie schützen, ohne einen einengenden Zaun um sie zu bauen. Auch werde ich ihr Wohlbefinden nicht zwanghaft kontrollieren – denn ich vertraue ihr. Und wenn diese Pflanze ihrem Gärtner auch vertraut, wird sie sich melden, sollte sie frisches Wasser benötigen.

Jeder Besucher hat seinen eigenen Garten Eden

Doch verlangen oder voraussetzen, dass diese eine Pflanze dauerhaft Wurzeln schlägt und treu in meiner Erde wächst – das mag ich nicht.

Denn alle Pflanzen der Besucher kommen aus den eigenen Gärten und sind auch in der Erde dieser tief verwurzelt. So wie ich als Gärtner zeitgleich auch ein Besucher anderer Paradiese bin, sind die Besucher in meinem Garten auch Gärtner Ihrer eigenen Pflanzen. Und auch diese werden von Ihrem Balkon aus entscheiden, ob sie sich in meinem Garten niederlassen möchten. Auch steht ihnen die Entscheidung frei, ob ich mich mit meiner kleinen Blüte in ihrem Garten Eden aufhalten darf oder dort sogar ein schönes Beet bekomme.

Jeder Gärtner ist auch ein Besucher mit Blume

Stehe ich hingegen an fremden Gartentoren, so versuche ich stets, eine strahlende Sonnenblume bei mir zu tragen. Auch ich kann aber nicht versprechen, dass diese dauerhaft blüht oder sich in fremden Gärten wohlfühlt. Und ob der Wächter am Tor seines Gartens gleich erkennt, dass ich eine lebendig schöne Blume in der Hand halte, das kann er auch nur selbst beurteilen. Denn auch meine Blume wächst noch und ist nicht vollständig in der ganzen Pracht Ihrer Blüte. Zum vollständigen Gedeihen benötigt sie aber die Inspirationen vieler anderer Paradiese und Sympathie, Empathie und Vertrauen von anderen Gärtnern und Pflanzen und den Austausch mit diesen.

„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ (Albert Schweitzer)


 
 
 

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